Ist dein Vater gestorben? Teil 1

16/11/2021| IslamWeb

Mein Freund fragte mich: „Ist dein Vater schon verstorben? Hast du dieses Gefühl schon einmal erlebt? Wenn du es nicht erlebt hast, lass es mich dir beschreiben: Von einem Augenblick zum anderen ist der Mensch, der ein wesentlicher Teil deines Lebens war, nicht mehr da. Er geht und hinterlässt hunderte von Erinnerungen, die deinen Geist und dein Herz überfluten. Er verschwindet ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Der Tod kommt unerwartet und macht keinen Unterschied zwischen Jung und Alt. Eines Morgens wachst du mit der schlimmen Nachricht auf, dass dein Vater gestorben ist – du kannst es nicht fassen. Vor ein paar Tagen war er noch bei dir. Ihr habt euch über Ehe, Heim und Familie unterhalten. Dabei brachte er das ganze Haus mit seinen humorvollen Bemerkungen zum Lachen.

Was du nicht weißt – oder vielleicht weißt du es, ignorierst es aber: Kein Mensch erkennt den Wert dessen, was er besitzt, außer nachdem er es verloren hat. Du wirst den wahren Wert deines Vaters erst nach seinem Tod begreifen. Wenn das passiert, wirst du dich an deine Erlebnisse mit ihm erinnern und dir folgende Fragen stellen, die begleitet sind von einem Dröhnen wie tausend Kanonen in deinem Geist und deinem ganzen Wesen: War er mit mir zufrieden, als er starb? Hat er sich noch an meine Fehler und Beleidigungen erinnert? Vielleicht vergab er mir aufgrund seiner Barmherzigkeit und dem Herzen eines Vaters, der keinen Groll oder Hass gegen seine Kinder hegt, was auch immer sie ihm antun. Falls er mir verziehen hat, wie kann ich das erkennen? Was hätte ich in unserer Beziehung besser machen können? Wenn er sich an meine Fehler erinnerte und mit mir unzufrieden war, wie kann ich das wissen? Ist es möglich, für diese Schuld zu sühnen?“

An dieser Stelle hörten die Worte meines Freundes auf und er konnte nicht weitersprechen, weil er in Tränen ausgebrochen war. Ich sah ihn voller Mitgefühl an, denn die schreckliche Nachricht war schwer für ihn. In diesem Moment erinnerte ich mich an Iyâs ibn Mu‘âwiya, der weinte, als seine Mutter starb. Er wurde gefragt, warum er weinte, und er sagte: „Ich hatte zwei offene Türen zum Paradies, und nun ist eine davon geschlossen. Ich hoffe, dass die andere nicht geschlossen wird, bis mein Vater und ich gemeinsam das Paradies betreten.“

In diesem Moment erinnerte ich mich auch an die Geschichten unserer rechtschaffenen Vorfahren in ihrer Pflichterfüllung gegenüber ihren Eltern. Al-Ma'mûn erzählte, dass er nie jemanden sah, der pflichtbewusster zu seinem Vater war als Al-Fadl ibn Yahyâ. Seine Freundlichkeit erreichte die höchste Stufe, als sie im Gefängnis waren. Sein Vater pflegte die Gebetswaschung nur mit heißem Wasser durchzuführen. Als sie ins Gefängnis kamen, weigerte sich der Aufseher, sie in einer kalten Nacht mit Feuerholz zu versorgen. Als sein Vater also schlafen ging, nahm Al-Fadl den Wasserbehälter und hielt ihn nahe an die Laterne, um ihn zu erhitzen. Er blieb in dieser Position, wach bis zum Morgengrauen, so dass sein Vater bei Sonnenaufgang die Waschung mit warmem Wasser vornehmen konnte. In der folgenden Nacht versteckte der Aufseher die Laterne. Daraufhin nahm Al-Fadl den Behälter und legte ihn unter seine Kleidung auf seinen Bauch, damit seine Körperwärme ihn aufwärmt. Er ertrug die Kälte des Wetters und des Wassers aus Pflichtgefühl gegenüber seinem Vater.

Hier ist eine weitere Geschichte, die Umar ibn Al-Chattâb (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) und alle, die mit ihm waren, zum Weinen brachte. In einigen Büchern wird erwähnt, dass Umayya Al-Kinânî eine der herausragenden Persönlichkeiten seines Volkes war.  Er hatte einen Sohn namens Kilâb. Kilâb wanderte während des Kalifats von Umar (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) nach Medina aus und blieb dort für eine gewisse Zeit. Einmal traf er einige der Prophetengefährten (möge Allâh mit ihnen zufrieden sein) und fragte sie nach den besten Taten im Islâm. Sie antworteten: Dschihâd.

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