Versäumnis und Verhinderung
11/11/2010| IslamWeb
Versäumnis
Mit Versäumnis ist gemeint, dass man den Haddsch versäumt; dies trifft für den zu, der bis zum Morgengrauen des Opfertages weder tagsüber noch nachts in Arafa war. Dschâbir sagte nämlich: „Der Haddsch gilt erst dann als versäumt, wenn der Morgen des Versammlungstages dämmert.“ Überliefert von Al-Athram. Der Versammlungstag ist der Tag des Opferfests.
Wer sich also bis zum Morgengrauen des Opfertages nicht in Arafa aufhielt – auch wenn es dafür einen Grund gab –, der hat den Haddsch versäumt, weil er zur Aufenthaltszeit nicht in Arafa war. Er muss den Ihrâm (Weihezustand) durch eine Umra beenden, den Tawâf (Umlaufen der Ka´ba) und den Sa’î (Lauf zwischen Safâ und Marwa) vollziehen, sein Haupthaar scheren oder kürzen sowie er laut der Mehrheit der Gelehrten den Haddsch nachholen, egal ob der versäumte Haddsch ein Pflicht-Haddsch oder eine freiwillige Pilgerfahrt war. Es ist unerheblich, ob man den Haddsch grundlos versäumt hat oder nicht. Zusätzlich muss man ein Opfertier schlachten, wenn man den Haddsch nachholt. Umar sagte nämlich zu Abû Ayyûb Al-Ansârî : „Tu, was der Umra-Pilger tut, bis du den Ihrâm ablegst. Wenn du den kommenden Haddsch erlebst, verrichte den Haddsch und opfere ein Tier, das du zu schlachten vermagst.“ Überliefert von Mâlik.
Verhinderung
Mit Verhinderung ist gemeint, dass der Pilger im Ihrâm-Zustand daran gehindert wird, seine Haddsch-Riten zu beenden, wie etwa, wenn ihm das Betreten Makkas oder das Verweilen in Arafa verwehrt wird. Die Verhinderung bezieht sich nicht nur auf Arafa, wie das Versäumen, man kann sowohl am Haddsch als auch an der Umra gehindert werden. Doch kann man nur den Haddsch versäumen.
Es gibt verschiedene Arten der Verhinderung:
Erstens: Der Pilger sagt beim Anlegen des Ihrâms, dass er den Ihrâm ablegen wird, sollte er gehindert werden. Er darf dann den Ihrâm ablegen, wenn er verhindert wird, und muss keine Sühne leisten, nichts opfern oder nachholen. Das Stellen einer Bedingung wirkt sich auf die Anbetungshandlung aus. Ein Beweis hierfür ist der von Dubâ’a bint Az-Zubair überlieferte Hadîth, in dem sie zu Allâhs Gesandten sagte: „Ich möchte den Haddsch verrichten, aber ich habe Zweifel.“ Er erwiderte: „Verrichte den Haddsch und stelle zur Bedingung, dass du den Ihrâm dort verlässt, wo du zurückgehalten wirst.“ Überliefert von Muslim. Wer jedoch in die Pilgerweihe des Pflicht-Haddsch eintrat, dessen Pflicht ist damit nicht erfüllt. Die Pflicht bleibt bestehen, bis sie erfüllt wurde.
Zweitens: Der Pilger im Ihrâm wird durch Feinde, einen Überfall oder Ähnliches gehindert, nach Makka zu gelangen. In diesem Fall darf der Pilger im Ihrâm den Ihrâm verlassen, er muss jedoch an dem Ort, an dem er zurückgehalten wurde, ein Opfertier schlachten, egal ob er sich im Haram (verwehrten Bezirk) befindet oder nicht. Anschließend schert oder kürzt man das Haupthaar, denn Allâh sagt: „und wenn ihr verhindert werdet, dann, was euch an Opfertieren leicht fällt.“ (Sûra 2:196).
Der Prophet ordnete nämlich am Tag von Hudaibiyya seinen Gefährten an – als die Quraisch sie daran hinderten Makka zu betreten – zu opfern, ihr Haar zu scheren und den Ihrâm zu beenden. Es macht – laut Konsensus der Gelehrten – keinen Unterschied, ob alle Pilger verhindert werden oder nur einer.
Wenn der Pilger jedoch auf einem anderen Weg nach Makka gelangen könnte, so muss er dies tun. Er muss diesen Weg einschlagen, egal ob es sich um einen großen Umweg handelt oder nicht. Er darf den Ihrâm nicht beenden.
Nach einer Meinung kann man den Ihrâm immer verlassen, wenn man am Haddsch gehindert wird, egal ob dies vor oder nach dem Aufenthalt in Arafa geschieht. Wenn er jedoch an einer nicht unabdingbaren Handlung gehindert wird, wie Übernachten in Muzdalifa und Minâ, Bewerfen der Dschamarât (Steinsäulen) oder Abschieds-Tawâf, so darf er den Ihrâm nicht beenden, weil die Gültigkeit des Haddsch nicht von diesen Handlungen abhängt. Man muss jedoch für unterlassene Pflichthandlungen ein Sühneopfer darbringen. Manche Gelehrte meinen, man müsse in diesem Fall keine Sühne leisten, da man ja gar nicht im Stande war, die Pflichthandlung zu erfüllen. Wenn der Pilger kein Opfertier schlachten kann, so sind sich die Gelehrten uneins, ob er stattdessen eine andere Sühnehandlung leisten kann.
Drittens: Der Pilger im Ihrâm wird daran gehindert, den Haram zu erreichen, jedoch nicht durch Feindseligkeiten, wie zum Beispiel auf Grund einer Krankheit, aus Geldmangel oder Abkommen vom Weg etc. In diesem Fall sind sich die Gelehrten uneins:
Einige meinen, dass mit der Verhinderung nur Feindseligkeiten gemeint sind, daher darf etwa ein kranker Pilger den Ihrâm nicht beenden, bevor er den Tawâf und den Sa’î vollzogen hat, also durch eine Umra den Ihrâm beendet hat. Denn der Prophet beendete den Ihrâm nur, weil sie durch ihren Feind abgehalten wurden.
Andere wiederum meinen, dass jedes Hindernis, das den Pilger daran hindert, den Haram zu erreichen, wie etwa Feinde, Krankheit, Abkommen vom Weg, Geldverlust, Festnahme, Schwäche etc. eine begründete Hinderung darstellt. Denn Allah sagt ganz allgemein: „und wenn ihr verhindert werdet, dann, was euch an Opfertieren leichtfällt.“ (Sûra 2:196). Ein weiterer Beleg ist der Hadîth, den Al-Haddschâdsch ibn Amr vom Propheten überlieferte: „Wer einen Bruch erleidet oder lahmt, der darf den Ihrâm beenden.“ Dieser Hadîth ist in den vier Sunan-Werken überliefert.
Dies waren die Arten von Versäumnis und Verhinderung. Nun bleibt nur noch zu sagen, dass derjenige, der grundlos beabsichtigt, den Ihrâm zu beenden, den Ihrâm nicht beenden kann. Seine Pilgerweihe besteht fort und der Pilger ist weiterhin an die Gebote und Verbote des Ihrâm gebunden. Den Ihrâm so abzulehnen ist laut Konsens der Gelehrten eine Spielerei. Mann muss im Ihrâm bleiben und die Pilgerhandlungen zu Ende führen, denn Allâh der Majestätische sagt: „Und vollendet den Haddsch und die Umra für Allâh!“ (Sûra 2:196)