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Die Arafât-Ebene

Die Arafât-Ebene

„Und rufe unter den Menschen zum Haddsch auf, dass sie zu dir kommen zu Fuß und mit jedwedem Transportmittel aus jedweder fernsten Gegend, damit sie Zeuge von Vorteilen für sich werden und den Namen Allâhs an bekannten Tagen über dem aussprechen, mit dem Er sie vom Tier des Weideviehs versorgt hat! Esst also davon und speist den Notleidenden, den Armen! Hierauf sollen sie ihren Zustand der während des Weihezustands gebotenen eingeschränkten Körperpflege beenden und ihre Gelübde erfüllen und den Tawâf (Umschreiten um die Ka’ba) um das altehrwürdige Haus vollziehen.“ (Sûra 22:27-29).

 

Dort wird die Hülle hinweggenommen und die Tore des Himmels werden geöffnet, und so wenden sich die Haddschis an Allâh mit Herzen, die von der Finsternis der Zuneigungen und Begierden befreit und so erleuchtet sind, dass sie sich auf diese Weise erhoben fühlen und die ganze Erde samt ihren Bewohnern wie ein winziges Stäubchen sehen, das vom Wind der Macht herumgeweht wird; sie fühlen sich noch erhabener, dass sie die Engel mit Zungen des Gehorsams gegenüber Allâh lobpreisen hören, sie fühlen sich noch erhabener, dass sie über den Quran nachdenken, so frisch und unberührt, als ob er erst gestern geoffenbart wurde, sie hören den Zuruf seitens des Heiligen: „O ihr Menschen! Wir haben euch wahrhaftig von Mann und Frau erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr euch einander kennen lernet ...“ (Sûra 49:13), und sie geben zur Antwort: „Hier sind wir, o unser Herr, hier sind wir zu Deinen Diensten!“ Da wiederholen die Ebenen von Arafât mit, alle sakrosankten Stätten, die sieben Himmel und die sieben Erden, alle wiederholen: „Hier sind wir, o unser Herr, hier sind wir zu Deinen Diensten!“

 

Dort ruht sich die menschliche Seele aus, die vom Pulverrauch fast erstickt wäre und von den Grenzen und der Einteilung in Gebiete und Untertanen, Herren und Sklaven die Nase voll hatte, sie kommt dort in der Arafât-Ebene zum Leben, wo es keine Alten oder Jungen, keinen Adel oder Niedrigstehende, keinen Emir oder Untertanen, keine Reichen oder Armen gibt.

 

Dort werden die hohen Ideale Wirklichkeit, die der Westen nur in der Fantasie der Philosophen und in den Büchern kennt, und so verschwinden das Böse und die Hassgefühle, und Gleichheit und Frieden herrschen, dort versammeln sich die Menschen verschiedener Sprachen und Hautfarben auf einer gemeinsamen Ebene, gleich bekleidet, sie wenden sich an den einen Herrn, glauben an den einen Propheten, bekennen sich zur gleichen Religion und rufen alle mit einer Stimme: „Hier sind wir zu Deinen Diensten, o unser Herr, hier sind wir zu Deinen Diensten!“

 

Dort ereignet sich das fortdauernde Wunder, dass die Erde zusammengefaltet und von ihren Enden gehalten wird, bis sie zum Ganzen auf den Berg Arafât gebracht wird: Dort treffen die Küsten Afrikas auf die Küsten Asiens, die Städte Europas auf die Hütten des Sudans, der Kingfluss auf den Nil, Taurusgebirge auf die Bloosberge. Dann erkennt der Muslim, dass seine Heimat so weit ist, dass sie auf der Erde von Bergen oder Flüssen oder auf den Landkarten von Farben nicht begrenzt und dass sie in der Politik durch ein Stoffstück oder eine Flagge nicht getrennt wird. Denn die Heimat des Muslims ist nicht im Staub oder in den Steinen, nicht in den Seen oder Flüssen und nicht auf den Bergen oder in den Meeren, sondern vielmehr im Qurân, denn es heißt: „Die den Glauben Verinnerlichenden sind ja einzig und allein Brüder! ...“ (Sûra 49:10), und nicht „Die Ägypter sind ja einzig und allein Brüder! …“ oder: „Die Syrer sind ja einzig und allein Brüder! …“ oder: „Die Iraker sind ja einzig und allein Brüder! …“

 

Dort fragen die Brüder nach den anderen, der Starke hilft dem Schwachen, der Reiche gibt dem Armen und der Mächtige hilft dem Gedemütigten, so dass sie nach Beendigung des Haddsch alle stark, reich und mächtig geworden sind.

 

Dort erinnert sich der Muslim daran, wie der Beste der Schöpfung  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken an dieser Ebene bei seiner Auswanderung zu Allâh vorbeikam, seine Heimatstadt verlassend, wo er aufgewachsen war, und seinen Stamm verlassend, in dem er aufgewachsen war. Wie er ging, bis er auf einem Hügel stand, nach Makka blickte und sagte: „Du bist Allâh von all Seinen Ländern das beliebteste bei Ihm, und du bist das beliebteste Land bei mir, und hätten deine Leute mich aus dir nicht vertrieben, wäre ich nicht weggegangen!“ Dann wandte er sich dieser riesigen Wüste zu, nichts und niemanden bei sich habend außer den treuen Freund [Abû Bakr], der sich ab und zu umblickte, um einen Blick von Makka aufzunehmen, bis es aus ihrem Blickfeld verschwand; dann machten sie sich auf den Weg zur Berghöhle.

 

Wussten diese Ebenen, dass sich dieser Mann allein der ganzen Welt widersetzen würde, dass er deren Unrecht mit dem Licht des Islâm begegnet und besiegt und dass er deren Irrtum mit der Rechtleitung des Qurân beseitigt? Er verlässt Makka heimlich, wird jedoch mit zehntausend Helden zurückkehren, und so wird Makka ihm seine Toren öffnen, seine Herren werden zu seinen Füßen knien, die gesamte Arabische Halbinsel wird unter seiner Herrschaft stehen und die Hälfte der Welt wird sich seiner Religion ergeben. Wussten diese Ebenen davon?

 

Wussten diese Ebenen, dass diese Menschen, die vor der Tyrannei und Macht vom Stamm Quraisch geflohen waren, eines Tages so mächtig würden, dass sich die Quraisch ihnen unterwerfen? Dass sie noch mächtiger würden, dass sie die römischen Kaiser und von den persischen Königen deren Länder beerben würden? Dass sie noch mächtiger würden, dass sie die ganze Erde besitzen würden? Dass sie an Zahl zunehmen, bis sie vierhundert Millionen Menschen erreichen? Dass sie sich auf der gesamten Welt verteilen würden, zu Allâh einladend, auf Seinem Wege kämpfend und erobernd, und dass sie sich dann als Pilgerfahrer am Berg Arafât versammeln, zu Allâh zurückkehrend und die Talbiya aussprechend: „Hier sind wir zu Deinen Diensten, o Allâh, hier sind wir zu Deinen Diensten!“?

 

Dort stand der Beste der Welt beim Abschieds-Haddsch, um die Menschenrechte zu deklarieren, die Grundprinzipien des Friedens zu bestimmen und Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Gleichheit unter den Menschen zu verbreiten – tausend Jahre, bevor Frankreich sie verbreitete.

 

„O ihr Leute, hört meine Worte, denn ich weiß nicht, ob ich nach diesem Jahr noch einmal an diesem Ort mit euch zusammentreffen werde. O ihr Leute, euer Blut, euer Eigentum und eure Ehre sind unter euch genau so sakrosankt, wie es heute der Fall ist, an diesem eurem Tag, in diesem eurem Monat, in dieser eurer Ortschaft. Habe ich die Botschaft verkündet? O Allâh, sei mein Zeuge!

 

O ihr Leute, alle Muslime sind Brüder. Keinem ist etwas vom Eigentum seines Bruders erlaubt, außer dem, was er ihm aus freien Stücken gibt. Habe ich die Botschaft verkündet? O Allâh, sei mein Zeuge!

 

O ihr Leute, Euer Herr ist wahrhaftig ein Eins-Seiender, und ihr stammt alle von eurem Urvater Adam ab, und Adam war aus Staub! Der Geehrteste unter euch ist der Demütigste in Ehrfurcht gegenüber Allâh. Ein Araber hat keinen Vorzug vor einem Nichtaraber außer durch Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh. Habe ich die Botschaft verkündet? O Allâh, sei mein Zeuge!“

 

Dort erklärte er die bedeutende Botschaft, mit der Allâh ihn zu allen Menschen entsandt hatte, für erfüllt und er rezitierte die Worte Allâhs des Hocherhabenen und Mächtigen: „... Heute habe Ich für euch eure Religion vollendet und Meine Gnade an euch ganz erfüllt, und für euch den Islam als Religion ausersehen ...“ (Sûra 5:3). Er entsandte seine Gefährten mit dieser hohen Aufgabe bis zum Ende der Welt, bis zum Ende der Zeit. Sie haben diese hohe Aufgabe erfüllt und eine Kultur errichtet, unter deren Schutz der Orient lebte und unter deren Schutz der Westen noch lebt.

 

In der Arafât-Ebene zeigt sich die Großartigkeit des Islâm, der Religion der Freiheit, der Gleichheit, des Wissens und der Zivilisation. Von Arafât aus hören die Muslime den Aufrufenden zu Allâh rufen: „Kommt zum Gebet! Kommt zum Erfolg!“ Und sie antworten: „Hier sind wir zu Deinen Diensten, o Allâh, hier sind wir zu Deinen Diensten!“ Und sie machen sich dann an die Arbeit für das Jenseits, als ob sie morgen sterben würden; und für das Diesseits, als ob sie ewig leben würden.

 

Es ist also unerheblich, ob die Welt verdirbt, das Böse schaltet und waltet und Gewalt herrscht; ob die Gewehre sprechen und die Menschheit bis zum Kopf im Sumpf der Laster versinkt; denn für Tugend, Recht und Frieden gibt es keine Gefahr, solange es die Arafât-Ebene auf der Erde und diese schallende sakrosankte Stimme in der Luft gibt: „Hier sind wir zu Deinen Diensten, o Allâh, hier sind wir zu Deinen Diensten!

 

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