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Der Trugschluss beim Unterstellen

Der Trugschluss beim Unterstellen

Ein Exposé über einen der größten Zerstörer des Diskurses moderner Zeit

„Uns wurde verboten nach Fehlern zu suchen. Wir können nur das Offenkundige zur Kenntnis nehmen.“ (Ibn Mas’ûd).

Für diejenigen, die heutzutage Streitangelegenheiten erörtern, ist der Kontext möglicherweise eine der größten Herausforderungen. Den Zusammenhang der Worte eines Menschen zu verstehen, kann einen dazu bringen, sich diesem völlig entgegenzustellen oder ihm vollkommen zuzustimmen. Es kann in unseren Herzen entweder Hass oder Liebe verursachen. Wenn ich zu euch sage „Die Lösung für unsere Probleme ist die Liebe zu Allâh“, dann bestimmt der Zusammenhang, in dem diese Aussage vernommen wird, ob ich passiv bin, al Nichtstuer, der glaubt, dass zur Lösung von Problemen keine organisierte harte Arbeit nötig ist, wahrgenommen werde … oder jemand, der glaubt, dass zur Unterstützung der Gesellschaft aufrichtige, engagierte Arbeit nötig ist, sich jedoch daran erinnert, dass die Nähe zu Allâh dem Hocherhabenen das Endziel aller Taten und unseres Daseins ist. Die Unterstellung, dass ich ein einfältiger Mensch sei, der außer dieser Aussage keine weiteren Gedanken hat, oder dass ich weitere, tiefgründige Gedanken habe, dies jedoch eine Schlussfolgerung sei, zu der ich gekommen bin, liegt im Ohr und Auge des Betrachters.

Die Unterstellungen der Menschen – die falschen Unterstellungen – führen oft zu Konflikten. Wenn wir eine Aussage hören, dann neigen wir sofort zur Unterstellung, dass die sprechende Person unwissender ist und die Angelegenheit möglicherweise nicht richtig versteht. Deshalb reiten wir auf ihrer Aussage herum, bis sie in Vergessenheit gerät.

Nehmen wir an, jemand sagt „Jeder Muslim im Westen sollte jeden Morgen Zeitung lesen“, dann könnte die Unterstellung eines Menschen wie folgt lauten: „Dieser Bruder ist ein Politikfanatiker, der denkt, die Lösung liege darin, sich in der Politik und bei aktuellen Geschehnissen auszukennen. Warum gedenkt er Allâhs nicht jeden Morgen!?“ Ein anderer könnte denken: „Es ist gut, dass er uns dazu ermuntert, Zeitung zu lesen. Nach meinem allmorgendlichen Gedenken werde ich dies voraussichtlich tun, um zu wissen, was in der Welt geschieht.“

Seht ihr? Viele von uns neigen dazu, die Aussagen anderer Menschen falsch zu bewerten und ihnen Worte in den Mund zu legen, weil wir uns wohler fühlen, wenn wir in der Lage sind, eine oder zwei Eigenschaften eines Menschen zu beobachten und dann dessen gesamte Persönlichkeit in eine zuvor beschriftete Box zu werfen – es erspart uns die Qual des tiefen Nachdenkens, des Reflektierens und des Erwägens. Wir handeln lieber mit Kisten und Kategorien als mit Menschen, und indem wir dies tun, begehen wir letztendlich eine Ungerechtigkeit.

Beispiele für Unterstellungen:

Wenn jemand über Glaubensgrundsätze spricht, dann muss er ein Salafit sein.

Wenn jemand Imâm Ghazali erwähnt oder das Wort „Murâqaba“, dann muss er ein tatenloser Sufi sein, der mit den Menschen nichts zu tun haben will.

Wenn uns jemand zum Studieren von Politik und Geschichte aufruft, dann muss er ein Aktivist sein, dem es an Spiritualität fehlt.

Wenn uns jemand dazu aufruft, nach Wissen zu streben, anstatt einen allzu emotionalen Islâm anzustreben, dann muss er ein zu den „Auliyâ“ enthobener Mensch sein, der denkt, dass Bildung die Frage und Antwort auf alles ist.

Wenn jemand dazu aufruft, dass die Muslime mehr säkulares Wissen besitzen sollten, dann denkt er bestimmt, dass die Gelehrten der Umma Idioten seien, und dann sagt er bestimmt, dass aller Traditionalismus falsch sei!

„Der Mensch ist (seiner Natur nach) aus Voreiligkeit erschaffen worden …“ (Sûra 21:37). (Der Mensch ist als Teil seiner Wesensart ein Geschöpf, das immerzu übereilt und ungeduldig ist.)

Wenn wir dies tun, dann zerstört dies jede Möglichkeit auf einen ehrlichen Diskurs. Wir verfangen uns darin, unsere Haltungen und Terminologien immer wieder zu bestimmen, und wenden lange Abhandlungen oder Reden auf, um Haltungen anzugreifen oder zu verteidigen, die nicht angegriffen respektive verteidigt werden müssen. Und letztendlich hat es uns nichts gebracht, niemanden überzeugt, haben wir unseren eigenen Chören gepredigt und uns viele Feinde gemacht.

Berichtet von Abû Huraira: Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken!) sagte: „Seid vorsichtig mit der Unterstellung, denn die Unterstellung ist die schlimmste Rede! Und sucht nicht nach den Fehlern der anderen und spioniert nicht und seid nicht eifersüchtig aufeinander und verlasst euch nicht gegenseitig (brecht nicht die gegenseitige Beziehung ab) und hasst euch nicht! Und o Allâhs anbetend Dienende! Seid Brüder (wie Allâh es euch angeordnet hat)!“ (Buch des Benehmens von Imâm Al-Buchârî; Band 8, Buch 73, Nummer 90).

Lasst uns deshalb zukünftig ein bisschen weniger anmaßend sein, wenn wir mit unseren Brüdern und Schwestern sprechen, und lassen wir den Hochmut in unseren Herzen sterben! So Allâh will, werden unsere Unterhaltungen voller Produktivität, Gedenken und Segen sein und können wir zu jenen gehören, deren Sünden von Allâh wegen des Gedenkens Seiner vergeben werden.

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